Der Tweet

Spiegelplatz, erste Seitenstraße – der Wagen sauste raketenhaft in die Kurve. Eine schrille Frequenz schob sich in die Nacht. Und weiter. Eine kompromißlose Verfolgung. Doch es war kein anderes Auto, dem unsere Helden anhingen. Autorennen waren out. Und fies. Das Zielobjekt hingegen gehörte zum Kostbarsten, was der Abend zu bieten hatte: ein Spruch knapp unterhalb des 140iger-Limits; bereit, in die Welt geschickt zu werden, bereit, die Herzen der auf Langweile Programmierten zu erfrischen. Ein Tweet.

Das operettenhafte Getue der Wortkombination war der Stunde geschuldet, nicht dem Inhalt. Der Samstagabend hing wie eine Attrappe über der Stadt. Um das Klischee in der Wirklichkeit zu ersticken, mußte alles noch komischer wirken als gewöhnlich. Geisterstunde? Mit geradezu groteskem Eifer entzog sich der Tweet dem Zugriff. Höchstgeschwindigkeit. Die Verfolger kreischten. Distanz: ein Meter.

Da sprang die Kombi aus dem Lauf über die Straßenflucht hinweg Richtung Häuserzeile bis zur ersten Etage eines Hotels empor, wo ein einsamer Server kichernd seine Runden drehte. Und rein. Durch die endlosen Weiten elektrischer Sphären bahnte sich der Tweet seinen Weg Richtung Timeline. Die Tweetpolizei folgte.

Zu spät. Die TL-Schwelle lag hinter ihm, als sich die Verfolger, zwei Marionetten in pink, auflösten: geschafft, gesendet – kursiv: «Umgib Dich mit wilden Tieren, aus deren Klauen ich Dich rette, um selbst zu sterben, damit Du weißt, daß ich Dich liebe.»
Retweet!

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