Das schwebende Hindernis
Überfallartig hatte sich das Frühjahr in den Morgen geschoben als wollte es den Sommer vorauseilend verdrängen. Es war erst April. Ein fiebriger Schwung hatte die kleine Stadt erfaßt, in der Solies nun schon seit ein paar Wochen wohnte. Nach der Trennung von seiner Frau hatte er hier einen neuen Anfang gesucht. Doch er fühlte sich immer noch als Tourist. Vielleicht würde das jetzt anders werden, das Versprechen von Aufbruch und Neubeginn, das in diesem Morgen lag, markierte offensichtlich einen Wendepunkt. Überall war eine neue Lebhaftigkeit spürbar, wie ausgewechselt schien das Temperament des Volkes. Spannkraft und Eifer, die den öffentlichen Raum füllten, waren geradezu ansteckend. Noch auf dem Weg zum Straßencafé, in dem Solies die Vormittage verbrachte in der Hoffnung auf irgendeine Bekanntschaft oder einfach nur, weil er dachte, vielleicht dadurch dem Städtchen näherzukommen, beschloß er, den Berg zu besteigen, der direkt ans Zentrum grenzte.
Mit jedem Schritt, der ihn näher zum Aufgang führte, wuchs in ihm das Bewußtsein, etwas Wichtiges, beinahe Hochoffizielles zu tun, eine Überzeugung, die seinen Bewegungen etwas Zeremonielles verlieh, was ihn wiederum in seiner Haltung bestärkte. Solies überließ sich gerne solchen aus sich selbst schöpfenden Aufmunterungen ohne sich an deren Zirkelcharakter zu stören. Schon früher, wenn er kleine, völlig unbedeutende Erkundungen angestellt hatte, weidete er sich an dem hoheitsvollen Gepräge, das all seinen Handlungen innewohnte. Soweit es diese Stadt betraf, fühlte er sich wie von einer geheimen Kamera begleitet, die jeden Schritt, jedes Wort und jede Geste von ihm einfing. Selbst sein Schweigen. Auch jetzt, als er auf den Serpentinenweg einbog, spürte er dieses imaginäre Auge, das voller Hochachtung auf ihm ruhte. Wie fest schien doch bereits hier sein Schicksal mit dieser Stadt verknüpft, die ihm so viel zu geben hatte, daß er augenblicklich bereit war, alles, was er in Zukunft erreichen würde, mit ihr zu teilen, selbst seinen Ruhm.