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OneNote: Das zweite Gehirn – die Notizzentrale

Ein Programm, das kaum bekannt ist, obwohl es von Microsoft kommt …
OneNote ist ein digitales Notizbuch. Die Struktur ist einfach und durchdacht. Genial! Selbst bei größtem Informationsumfang kann der Überblick nicht verloren gehen; das Programm ist Datendepot und Verteilerstation zugleich. Texte, Bilder, Internetseiten, selbst Musikstücke und Videos – alles läßt sich im Schnellverfahren integrieren und im Sofortzugriff abrufen:

  • EDV-gestützt so arbeiten wie Sie es mit Papier und Kugelschreiber gewöhnt sind;
  • Zentrale Ressource für sämtliche Ideen;
  • Informationen erfassen und referenzieren.

Generell ist die Informationssammlung zwar mit einer Vielzahl von Programmen möglich, doch die Stärke von OneNote liegt «in der Übersicht und Verwertbarkeit der Infos. Das Programm ist sehr flexibel, und man kann es nach Belieben zurechtbiegen. Eine Art Softwareknete, die sich dem Nutzer anpaßt» (Amazon-Kritik). Notizen, Webrecherchen, Audioaufzeichnungen – der Schnellzugriff ist immer garantiert, die bisweilen mühevolle Suche nach dem Speicherort entfällt: Register, Unterregister und eine effiziente Suchfunktion sind bestens aufeinander abgestimmt. Das Abspeichern erfolgt automatisch; durch die permanente Synchronisierung ist unerwünschter Datenverlust  so gut wie ausgeschlossen. Bei Bedarf läßt sich das Programm mit anderen Personen zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Standorten nutzen; die Zentralverwaltung der Daten erfolgt dann über Windows Live mit Änderungsverfolgung.

Infos lassen sich nicht nur rasch markieren, indexieren und verknüpfen oder per Tastendruck an andere Programm senden – sie sind sogar frei auf dem Bildschirm plazierbar. Ferner lassen sich alle erdenklichen Arten von Textfeldern implementieren und im Bedarfsfall «kreuz und quer neu anordnen». Und beim Kopiervorgang aus dem Internet wird die Adresse mit abgespeichert. Stichwortkette: Clip- und Schnellablagefunktion, zeitsparende Tools, Seitengruppen mit mehreren Ebenen, optimierte Instrumente für die Abschnittsverwaltung sowie eine Navigationsleiste, die intuitiv und ohne Einführung genutzt werden kann. Jede Information kann mit Hyper-Links versehen werden, um jederzeit einen problemlosen Zugriff auf zugehörige Inhalte zu gewährleisten. Das Durchsuchen der Notizbücher erfolgt effektiver als in jedem anderen mir bekannten Programm, das Verwalten der Abschnitte ist selbsterklärend und das simple Zusammenführen sowie der Zugriff und das Organisieren von Inhalten mehrerer Anwendungen ist in seiner Unkompliziertheit beispiellos.

Fazit: Umständliche Ordnersuche? Entfällt. Mehrfaches Anklicken der verschiedensten Buttons, um eine Information, die tief in unserem System schlummert, auf den Schirm zu rufen? War gestern. Notizen in Papierform für das Wichtige, damit wir es nicht verlieren oder vergessen? Vergangenheit! Alles, womit wir im Livetakt arbeiten müssen, befindet sich jetzt an EINEM Ort. Exakt das war der Vorteil des Notizbuchs in Buchform, für das es bislang keine praktikable Alternative gab. Dank OneNote ist diese Lücke auf unserem PC geschlossen worden. Übersichtlichkeit und Effizienz sind einzigartig. Vielleicht sogar revolutionär. Seitdem ich mit diesem Tool arbeite, verbrauche ich kaum noch Zettel, Haftnotizen oder Karteikarten. Unglaublich. So übertrieben und irreführend viele Werbesprüche auch sein mögen, diesmal gehen Ankündigung und Wirklichkeit Hand in Hand: «Notizen waren gestern – OneNote ist heute.» Danke, Microsoft.

Links:
Microsoft OneNote 2010 – 1PC/1User (CD-ROM)
Selbstorganisation mit Microsoft OneNote 2010 (Broschiert)

Lauter Romananfänge – heute: «17» (Kurzfragment)

Eine Art Einleitung

Etuikleid, Samthandschuhe. Dabei wäre ich mit einem Streichholz zufrieden gewesen. «Ist Ihnen nicht kalt?», fragte ich und berührte ihre Schultern. «Es laufen zu viele Realisten herum», sagte 17 wie aus Versehen. Ich küßte sie auf den Mund. Ein Scheinwerfer erfaßte uns für den Bruchteil einer Sekunde. Dann: Ein kurzes Kichern. «Was war das?», fragte ich, mit dem Gesicht so nah bei ihr, daß die folgenden Worte direkt in mich hinein fielen: «Die Liebe», sagte sie. Nun zog sie mich in ihre Umarmung und wieder wurde ich vom Blinkfeuer einer mir unbekannten Quelle geblendet. Keine Notbeleuchtung, viel Weiß. «Bist Du schon einmal ohnmächtig geworden – beim Küssen?», fragte 17 ohne Worte. Halleffekt. Oder fragte ich? Die Vertonung unserer Gedanken erfolgte im Livetakt. Auch alles übrige geschah in seltsam ungewohnter Harmonie, formvollendet, distanzlos. Zu virtuos für ein Paar, daß sich erst seit ein paar Sekunden kannte? Zu schön? Augenaufschlag. 17 lachte. Feuer? (06/2008) 

Neue Aufgabe für die FDP

Der FDP gehen bald die Aufgaben aus. Schon debattieren Rösler und Westerwelle, ob sie in NRW überhaupt antreten sollen. Zeit für Alternativen.

Da die FDP, wie sie auf ihrer Webseite versichert, eine Partei ist, die nach vorne schaut, sollte sie gleich beides miteinander verbinden und ihren Internetauftritt lukrativer gestalten. Ohnehin interessieren sich die Menschen kaum noch für Politik. Und für die Politik der FDP interessiert sich ja offenbar nur noch die FDP selbst wie das Ergebnis im Saarland beweist (alles Selbstwählerstimmen). Dennoch sollte sich die Partei nicht aufgeben, schließlich haben die «Liberalen» eine Webseite. Und damit kann man Gutes tun.

Spielzeug – Geld – Spende

Grundgedanke: Familien mit niedrigem Einkommen haben die Option, günstig Spielzeug (das mit Hilfe von FDP-Aufrufen gesammelt wird) zu erwerben und gleichzeitig mit ihrem Kauf eine Spende zu initiieren, die nicht nur in der Dritten Welt überproportional viel bewirken kann, sondern auch in Deutschland (insbesondere dort, wo FDP-Politik schon wirksam werden konnte). Das Konzept paßt sehr gut in den Kontext der FDP-Seite und könnte Medienaufmerksamkeit auslösen. Wie das funktionieren soll? An die Bevölkerung wird der Appell gerichtet, Spielwaren anstatt Geld zu spenden (zu verschenken), damit die FDP die Spielwaren im Zuge eines automatisierten Verfahrens in Geldspenden verwandeln kann.

Verfahren (in fünf Schritten):

Der Spender setzt das Angebot inklusive Bild auf die FDP-Seite (www.fdp.de) – Schritt eins. Sobald sich ein Interessent findet, überweist dieser das Geld an die FDP (2) unter Angabe seiner Adresse. Nach Eingang des Geldes wird das Bild von den «Liberalen» eingegraut und mit der entsprechenden Zielanschrift versehen (3), womit der Spender das Signal erhält, das Spielzeug (an den Käufer) zu versenden (4). Im letzten Schritt kann die FDP das Geld spenden.

Am Ende haben alle gewonnen:

  • Der Spender hat gespendet (ohne Geld auszugeben).
  • Der Käufer hat Ware erworben (ohne einen überteuerten Preis zu zahlen).
  • Und die FDP hat eine Spende zur Weiterleitung an Bedürftige erhalten (ohne in Aktion zu treten), was mit einem erhöhten Zugriff beim Aufruf der anderen Infos, die sich auf der FDP-Seite tummeln, einhergehen könnte.


Hinweis:
Es kommt weder Spielzeug bei der FDP an, noch muß irgendetwas versendet werden! Die FDP ist lediglich die Mittlerstation (Kontrollinstanz). Der Aufwand würde sich auf den administrativ-finanziellen Sektor beschränken (Geld empfangen, Eingang bestätigen). Da nicht davon auszugehen ist, daß die Idee sofort boomt, dürfte der Aufwand zu Beginn überschaubar sein. Sobald ein größerer Zuwachs zu verzeichnen ist, könnte man eine Teilzeitkraft (Solms, Niebel) damit beauftragen. In diesem Zusammenhang müßte über eine kleine Vermittlungsgebühr zwecks Kostendeckung nachgedacht werden.

Falls mal Langeweile in der Firma aufkommt …

WORTSALAT – ein Büro-Spiel    

Zwei Gruppen werden gebildet. Jede Gruppe denkt sich einen Satz aus, wobei die Anzahl der Wörter der Anzahl der Gruppenmitglieder entsprechen muß: Jedem Gruppenmitglied wird ein Wort aus dem Satz zugeteilt. Anschließend tragen die Gruppen ihren Satz vor, indem alle Wörter gleichzeitig gerufen werden. Aus den erkannten Einzelwörtern muß dann der korrekte Satz gebildet werden.

Ziel & Effekt:

– Konzentration üben;
– Kombinationsfähigkeit schulen;
– Aussprache von Wörtern festigen;
– Langeweile töten.

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DES LEBENS GLÜCK – DES LEBENS SINN

Henry Howard, englischer Dichter – Ölgemälde von Hans Holbein (Bildquelle: Wikipedia)

Die Dinge, Freund, die (wie mir scheint)
Des Lebens Glück bestimmen, sind:
Besitz ererbt, und mühlos dein,
Fruchtbarer Grund, friedvoller Sinn;
Der rechte Freund, kein Groll, kein Streit,
Nicht Herrscherpflicht noch lästiges Amt;
Von Krankheit frei ein tüchtiger Leib,
Und Häuslichkeit nach festem Gang;
Frugale Kost, kein Schlemmertisch;
Die Nächte heiter, sorgenfrei,
Wo Wein den Geist nicht überhitzt;
Weisheit mit Schlichtheit im Verein;
Ein treues Weib, das niemals schielt,
Ein Schlaf, der sanft die Nacht umspannt,
Ein Stand, den du nicht bessern willst –
Nicht Todeswunsch noch Todesangst.

Henry Howard, Earl of Surrey
† 19. Januar 1547 im Tower of London

Adaptiert, parodiert, kopiert – 155 Jahre Struwwelfieber

Von Goethe stammt die Feststellung, daß sich alles, was eine große Wirkung gehabt hat, dem Urteil entzieht. Ein Befund, der auf den «Struwwelpeter» nicht zutreffen dürfte, zumal die Resonanz ja noch anhält. In der Literaturwissenschaft wird Heinrich Hoffmann, der Autor des legendären Buches, inzwischen als «Kopernikus der Kinderliteratur» bezeichnet. Andere möchten das Buch hingegen verbieten. Wie ist die von Hoffmann ausgelöste kopernikanische Wende zu verstehen? Werden Wirkungsweise und Aktionsradius des Klassikers, der mit ungebrochener Potenz Richtung Zukunft eilt, womöglich von überzeitlichen Kräften in Schwung gehalten?

«Sieh einmal, hier steht er…»

Auf der Suche nach einem Bilderbuch für seinen Sohn entdeckte der Arzt Heinrich Hoffmann (*1809) Mitte des 19. Jahrhunderts lediglich «lange Erzählungen oder alberne Bildersammlungen», so daß er kurzerhand beschloß, selbst ein Kinderbuch zu verfassen. Die unter dem Titel «Struwwelpeter» versammelten Bilder-Geschichten wurden auf Anhieb ein Bestseller, schon bald ein Welterfolg und schließlich ein Longseller. Heute gehören sie zum Kulturgut unserer Nation. In viele Sprachen, sogar ins Chinesische übersetzt, sind bislang mehr als 540 Auflagen erschienen, eine sogar in Blindenschrift. Von der «Struwwelliese» über den «Struwwelhitler» und «ägyptischen Struwwelpeter» bis zur «Schnatterliese» und Comic-Adaption – die Variantenfülle ist unerschöpflich, der Drang nach Umdichtung und Interpretation hält bis heute an. So ist der Struwwelpeter bislang in 25 deutsche Mundarten übertragen worden. Welches Werk hat ähnliches vorzuweisen? Das Buch wurde verfilmt, vertont, adaptiert und karikiert. Seine Wirkungsgeschichte kennt kein Ende: Es wurde sogar zum Impulsgeber moderner Genres; eine deutsche Rock-Band hat vor einigen Jahren die Geschichte mit dem Streichholz rezipiert und in provozierender Weise verfremdet: «Immer, wenn ich einsam bin, zieht es mich zum Feuer hin.» Danke, Rammstein, aber so genau wollten wir das nicht wissen.

«Pfui! der Struwwelpeter!»

Wo der Erfolg einer Sache so groß ist, kann die Kritik nicht ausbleiben. Von der klinischen Psychologie und der Jugendpsychiatrie entdeckt, erfolgte die Auseinandersetzung nicht nur in literarischen Bearbeitungen («Anti-Struwwelpeter»). In den letzten Jahrzehnten mehrte sich die Kritik zunehmend sowohl aus dem Kreis antiautoritärer, dem Zeitgeist verpflichteter Pädagogen, Psychologen und anderer Wissenschaftler, aber auch seitens der journalistischen, weitgehend vom Ungeist des Relativismus heimgesuchten Zunft, die schon dort Gespenster sieht, wo einfachste Kontraste winken. Als zu brutal wurden die angeblich dem Buch zugrunde liegenden Erziehungsprinzipien eingestuft und zurückgewiesen. Eine moderne Gesellschaft, hieß es, «bevorzuge andere Methoden der Kindererziehung als die Ausübung oder Androhung psychischer und physischer Gewalt» (wikipedia). Seltsam nur, daß ihre Methoden wie in kaum einer anderen Zeit von Versagen und Ratlosigkeit geprägt sind. Weshalb wird nicht verstanden, daß die Brutalität im Struwwelpeter lediglich eine Erzählfolie bildet, die, ebenso wie im Film oder im Roman, dazu dient, archetypische Strukturen sichtbar zu machen?

«Sei hübsch ordentlich und fromm, bis nach Haus ich wieder komm»

Als pädagogischer Katechismus des Kleinbürgertums verunglimpft, wird Hoffmanns Werk in bestimmten, unter dem Deckmantel der «Aufklärung» operierenden Zirkeln unterstellt, den kindlichen Willen zu unterdrücken. Die drastischen Bilder simulierten die archaische Qualität der Ängste übermäßig, statt sie zu besänftigen. Weil die Bildfolgen zentrale unbewußte Fantasien und Schrecken mobilisieren, werden die Kinder zwar intensiv emotional angesprochen, doch die negativen und dramatischen Folgen und Strafen, die von den Bildfiguren erlebt werden, führten, so die Kritik, zu drastischen Strafängsten, die das Kind dahin bringen, auf verbotene Triebbefriedigungen zu verzichten. Die Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt behauptet, es gelinge Kindern kaum, die notwendige Distanz zu Hoffmanns stark übertriebener verbaler und visueller Ironie herzustellen, das Modewort Traumatisierung fällt sogar: «Die Strafängste… können vom kindlichen Ich nicht ertragen und müssen daher ins Unbewußte verbannt werden.» Triebbefriedigung – Traumatisierung – Unbewußtes – Triebdurchbruch: Sobald solche Schlagwortketten aus der Rüstkammer der Psychoanalyse zum Einsatz kommen, ist Vorsicht geboten; im Zugriff auf wissenschaftliche Standards, die im Allgemeinen ja durchaus ihre Berechtigung haben, werden Besonderheiten ignoriert und simple Sachverhalte auf den Kopf gestellt, indem im deduktiven Zirkelverfahren Inhalte kurzerhand durch Ideologien ersetzt werden – Wahrheit muß Gelehrtheit weichen. Dies wird im Fall des Struwwelpeters besonders deutlich.

«Bauz! da geht die Türe auf…»

Kinder denken weniger kompliziert. «Für mich sind die Geschichten einfach nur aufregend», erklären Kinder immer wieder auf die Frage, was ihnen am Struwwelpeter gefällt. Schnell entwickeln die Geschichten eine faszinierende Eigendynamik; die grausamen Details wirken mitreißend und abstoßend zugleich. Die Erzählstrategie setzt auf Erkenntnis durch Satire; schließlich sind die Erzählungen derart überzeichnet, daß auch Kinder die Diskrepanz zwischen Realität und Fiktion wahrnehmen. «Das Buch soll ja märchenhafte, grausige, übertriebene Vorstellungen hervorrufen», erklärte Hoffmann seinerzeit. «Und er hat offenbar mit seiner Annahme Recht gehabt, daß gerade dies den meisten Kindern gefällt.» (bikonline.de) Kinder machen über die Lektüre Fantasie-Erlebnisse, die ihnen die schmerzliche Erfahrung an Leib und Seele erspart, und sie fühlen sich durch das Surreale der Hoffmann‘schen Figuren, die das Geschehen «aus dem direkten Bezug zur kindlichen Alltagswelt herausheben und in den freien Raum der Fantasiewelt stellen», magisch angezogen.

«… und herein in schnellem Lauf springt der Schneider in die Stub‘»

Hoffmann hat berichtet, daß er die Ideen seiner Geschichten als Arzt im Umgang mit seinen kleinen Patienten gewonnen hat. Seine Zeichnungen sind einfach, skizzenhaft beinahe, aber von apodiktischer Klarheit und vom pädagogischen Scharfsinn beseelt. Präzise und virtuos im dramaturgischen Aufbau, schlicht und wirkungsvoll in der Abfolge bühnenmäßiger Szenen, lakonisch und treffsicher in der Sprache, springen die Kompositionen geradewegs in die Phantasiewelt der Kinder; die kurzen, suggestiven Verse, die den direkten Weg zu Herz und Verstand nehmen, prägen sich dem Gedächtnis schnell ein, und so gehört manches noch heute zum deutschen Zitatenschatz. Alle Geschichten im Struwwelpeter zeigen eine deutlich erkennbare Moral mit belehrender Wirkung. Im Zentrum des Geschehens stehen Kinder mit Unarten, die auf die Ermahnungen ihrer Eltern nicht hören und dafür oft mit schlimmen Konsequenzen rechnen müssen. Die Kritik am Struwwelpeter hat «in Bezug auf manche Nachfolgebücher, die tatsächlich geradezu sadistische Strafen für oft belanglose Vergehen ausmalen, mehr Berechtigung als für den Struwwelpeter selbst». (members.aon.at) Das Besondere an diesem Buch ist der Umstand, daß «Ermahnungen nicht aus der Ferne des Erwachsenseins, mit der Autorität des Erziehenden transportiert, sondern Kinder in die Lage versetzt werden, sich in die Handlung hineinzudenken und gebannt von den Versen, die ihr mystisches Weltbild ansprechen, die Situation nachzuvollziehen».

«Wo der Wind sie hingetragen – Ja, das weiß kein Mensch zu sagen»

Ein besonderer Reiz in den grotesk zugespitzten Illustrationen liegt ferner darin, daß sie gegenläufig zu den Stereotypen der Grundsatzkritik, wonach einer autoritären, ja grau-samen «schwarzen Pädagogik» Vorschub geleistet werde – den bürgerlichen Alltag der Kinder unterschwellig ins Lächerliche ziehen. Hoffmanns Zeitgenossen beanstandeten sogar die «fratzenhafte» Illustration, die sich angeblich über elterliche Autorität lustig mache; seine Zeichnungen, so hieß es, glichen Karikaturen und verliehen seinem Buch einen ironischen, spielerischen Effekt. Ein auffallender Widerspruch zur aktuellen Kritik, die im Struwwelpeter den Bilderbuchschreck vergangener Tage sehen will. Doch wird nicht gerade in dieser Gegensätzlichkeit deutlich, daß dort, wo Kompositionen konträre Betrachtungsweisen provozieren, die Weitläufigkeit des interpretatorischen Spielraums nur scheinbar ist – ein Kunstgriff, auf den große Literatur wie die Kunst überhaupt immer zurückgreift, wenn sie nicht durch Beliebigkeit, sondern durch die Universalität des Subtextes auf den unbekannten Leser reagieren will? Zeitlos.

Anstatt Gefahr zu laufen, pädagogische Bemühungen zu konterkarieren oder Kinderseelen zu brechen, ist der Struwwelpeter mit seinem ebenso selbstverständlichen wie unmißverständlichen Pendelschlag zwischen Strafe und Gerechtigkeit gerade in unseren Tagen geeignet, erste Moralvorstellungen auszubilden und normale, ubiquitäre Fantasien zu entzünden. «Hoffmann erzählt ja auch von der Vermeidbarkeit des Unglücks… Lesen war und ist für Kinder… auch Probehandeln: ‹Wenn ich das nicht mache, ist alles in Ordnung›. Aber natürlich genießen sie zugleich die Grenzüberschreitung der Helden und dürfen zufrieden sagen: ‹Ich bin das ja nicht.›» (Bettina Hurrelmann – derwesten.de)

Hei! Da schreit der Mainstream sehr!

Der Erfolg hat Heinrich Hoffmann Recht gegeben. Sein Buch hat, was für die Weltliteratur typisch ist, Beine, die allen Anfechtungen zum Trotz durch die Jahrhunderte laufen – zielsicher, den Kindern auch künftiger Generationen entgegen. Der Struwwelpeter ist der Prototyp des modernen deutschen Bilderbuches und steht in einer aufklärerischen Erziehungstradition: Kinder sollen Strafe nicht als Willkürakt der Erziehenden begreifen, sondern als unmittelbare Folge ihrer eigenen Handlungen. «Das Böse birgt seine Strafe schon in sich.» Der Struwwelpeter – ein Gelegenheitsbuch, zum Familienbuch bestimmt, zum ewigen Bestseller erhoben. Ein Geniestreich auf dem Gebiet der Kinderliteratur. Durch wie viele Jahrhunderte wird er noch eilen?

Viele Bücher, Filme, Reime
Schüren doch nur Langeweile.
Doch ein Buch geht weit voran,
Stößt zuletzt am Himmel an.
Wohin die Zukunft es wird tragen,
Ja! das weiß nur Gott zu sagen.


Links:

> Die Gründe für den Erfolg (bikonline.de)
> Der Struwwelpeter (members.aon.at)
> Der Struwwelpeter: Zwischen Grauen und Genuss (derwesten.de)

 

Demokratie total – die «zweite Alphabetisierung» (von Gutenberg zur App)

Buchrezension

Erstaunlich, welche Schätze man heutzutage in der digitalen Bücherkiste des Internets findet, darunter auch die «Kurze Geschichte des Buchs in 35.000 Zeichen» von Thomas Hoffmann. Eine Abhandlung, die es ohne den Segen der Digitalisierung nicht hätte geben können. Die Erklärung dafür liefert das Buch gleich mit. «Alles ist nun auf Anfang gestellt.»

Ohne die kulturelle Leistung der Verlage zu schmälern, macht der Verfasser deutlich, wie eine «Mixtur aus Überheblichkeit und wirtschaftlichen Interessen» zur Verhärtung der Struk-turen führen mußte, aus deren Zentrum eine selbsternannte Elite den Zeitgeschmack diktierte. Hierbei bringt der Autor das Kunststück fertig, auf 20 Seiten das zu erklären, was viele auf 200 Seiten nicht vermögen.

Wie war es möglich, daß der Mainstream so lange manipuliert werden konnte? Welchen Wert hatte das unveröffentlichte Material? Warum mußte das Publikum passiv am Ende der Kette abwarten, was als nächstes kommen würde? Vor allem: Welche Konsequenzen ergeben sich aus der rasch bröckelnden Vormacht klassischer Medien? Fragezeichen, die auf kurzer Distanz gelöscht werden.

Mit virtuoser Leichtigkeit durchquert der Autor 600 Jahre Kulturgeschichte und zeigt, wie wir über Jahrhunderte in geistiger Unmündigkeit gehalten wurden. Die Wucht der Ernüch-terung, die sich bei der Lektüre einstellt, ist bisweilen schmerzhaft. Doch nun ist alles auf Anfang gestellt: Es sind die Urheber, welche die Herrschaft über die Inhalte ausüben werden und nicht mehr die Verlage.

Link: LESEPROBE

100 Zeilen Liebe. Heute: Die Schweiz

Es sind nicht die Antworten, es sind die Fragen, die uns von der Wahrheit tren-nen. So fragen sich manche Zeitgenossen, wie es möglich ist, daß Schweizer Journalisten im Zusammenhang mit ihrem Nachbarn, der Bundesrepublik, immer wieder vom «großen Kanton» sprechen. Doch diese Frage ist falsch. Die richtige Frage muß lauten: Was ist Käse? (Schweizer) Nur hinter diesem Satz steht das Fragezeichen an der richtigen Stelle, weil nur so das ganze Bündel weiterer Fragen, die uns im Zusammenhang mit der Schweiz einfallen, mitgeschleppt wird.

Zum Beispiel Fragen im Hinblick auf die Ausländerfeindlichkeit der Schweiz, die – wie Leidtragende zu berichten wissen – ans Pathologische grenzt. Erinnern Sie sich noch an die Volksinitiative für die «Ausschaffung krimineller Ausländer»? Seinerzeit hatten die Schweizer für die strengste Regelung zur Abschiebung krimineller Ausländer in Europa votiert. Seither können die Schweizer Ausländer, die in ihrem Land Verbrechen begehen, endlich konsequent ausweisen.

Ausländische Mörder, ausländische Vergewaltiger, ausländische Sozialbetrüger – diese vielen Substantive sind ja an sich ganz harmlos, wenn das Adjektiv nicht wäre. Das wissen die Schweizer. Und doch haben sie das Wesentliche, das ja bekanntlich unsichtbar ist, über-sehen. Anstatt auf unsere Ursprungsfrage, den Käse betreffend, zurückzukommen, springen sie zu weit vor und formulieren ihre Fragen im Reflex: Was geschieht, wenn der Zuwachs an ausländischen Kriminellen rückläufig ist, weil aus Angst vor Abschiebung nicht mehr gemordet wird? Kriminell sind diese Leute ja trotzdem, nur daß sie aus niederen Be-weggründen ihre Taten unterdrücken. Ob man juristisch dagegen vorgehen kann?

Natürlich kann es auf diese Frage wie auf so vieles keine wirklich erschöpfende Antwort geben. Ja und Nein sind schließlich nur Füllwörter. Also überlassen wir den Schweizern die Antwort. Unsere Ursprungsfrage hingegen kann nicht mit Ja/Nein ausgekontert werden, hier ist ein richtiges Wort gefragt. Eine echte Antwort eben. Was also ist Käse? (Schweizer)

Antwort: Jeder gute Schweizer Käse hat Milch- bzw. Käselöcher. Die Löcher entstehen durch die Kohlensäure, die sich während des langsamen Reifungsprozesses entwickelt. Und zu diesem Reifungsprozeß gehört die Integration subversiver Elemente ebenso wie die Ein-verleibung ausländischer Krimineller.

Die Skeptiker sollten nicht vergessen, daß sich während des oben beschriebenen Prozesses auch der besondere Geschmack des Käses bildet. Käse? Geschmack? Besonderes? Ja! Hier trifft das Einfache auf das Höhere, und nur wo das Große mit dem Kleinen sich verbindet, ist die Wahrheit im Element. Und ganz nebenbei werden auch alle anderen Fragen beant-wortet. «Käse» ist das Schlüsselwort, das uns zur Wahrheit führt; ein flüchtiger Blick auf seine Synonyme genügt: Unsinn – Stuß – Nonsens. Oder: Schweiz.

Gestern, heute, morgen: Chicago!

«Abendlicher Bahnübergang in Chicago» – gefunden von Peter Glaser, dem Chef der
GLASEREI 

Frederick Childe Hassam: Nocturne, Railway Crossing, Chicago (1892-93)

Ist das nicht die Handschrift der Deutschen Presse-Agentur? Ich tippe auf eine Raum-Zeit-Verzerrung. Das würde auch die Kutschen erklären und die Aliens im Bild oben rechts. Zwei Zeitfronten. Die dpa-Aufnahme wurde offenbar mit Photoshop auf Pinsel-Effekte getrimmt. Und mit einem Pseudonym versehen. Gute Arbeit.
paintingmania.com